Dipl-Ing. Dr.rer.pol. Ulrich Schachtschneider   version francaise    english version

In Punkto technisch-ökologischen Wandels kann man die EU nicht substantiell kritisieren. Mit dem European New Deal hat sie ein anspruchsvolles Programm zum Erreichen von Klimaneutralität bis 2050 vorgelegt, welches die Mitgliedsstaaten zu entsprechenden Klimaplänen und Umsetzungen verpflichtet. Vor allem die EU-Kommission ist hier in der Regel der Treiber und nicht Bremser.

Klammern wir zunächst einmal die Frage aus, ob das mit diesem European New Deal angestrebte revitalisierte Wirtschaftswachstum, globale Wettbewerbsvorteile etc. progressive Ziele für eine sozial-ökologische Transformation darstellen können. Die linke Kritik setzt in jedem Fall an der Frage an, wie diese große technologische Transformation (führt sie nun zu Wachstum oder nicht) sozial gerecht passieren kann.

Zwar plant die EU – ihrer seit etwa einem Jahrzehnt zu beobachtenden Linie, der neoliberalen Marktliberalisierung eine „sozialen Säule“ beiseite stellen zu wollen, folgend – einen „Klimasozialfonds“. Mit ihm sollen im Wesentlichen Gebäuderenovierungen, Maßnahmen zur Integration von erneuerbaren Energien sowie emissionsfreie Mobilität finanziert werden. Ein Teil soll aber auch für „vorübergehende“ direkte Einkommenshilfen verwendet werden dürfen. Das Geld soll aus Einnahmen des europäischen Emissionshandels EU-ETS (European Union Emission Trading System) kommen. Ab 2026 soll es auch die Verpflichtung geben, für Emissionen in den Bereichen Wohnen und Verkehr Zertifikate zu kaufen (EU-ETS II). Für den Klimasozialfonds werden für die Jahre 2026 – 2032 87 Mrd. Einnahmen erwartet, den 25%igen Finanzierungsbeitrag der Mitgliedstaaten bereits eingerechnet.

Der Ansatz der EU, Einnahmen aus der notwendigen Verteuerung fossiler Energienutzungen sowohl zur Subventionierung der technischen Vermeidungsmaßnahmen (Gebäuderenovierungen) als für Direktzahlungen an Betroffene zu verwenden, ist im Prinzip richtig. Er wird angesichts der Größe der Transformation aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Für jede/n EU-Bürger/in ergeben sich jährlich 32 € (für Renovierung und Einkommenshilfen). Echte Linderung der Kosten oder gar Umverteilung nach unten sieht anders aus. Dafür müsste ein Vielfaches aus Steuern auf Vermögen und Erbschaften mobilisiert werden.

Die Linke kritisiert häufig die Verteuerung von Energie durch Emissionshandelssysteme, sie setzt dagegen auf Vorschriften (Ordnungspolitik). Die Problematik der übergroßen Betroffenheit von armen Leuten wird dadurch allerdings nicht anders: Das Gebäudeenergiegesetz in Deutschland etwa, welchem nach den Plänen der EU europaweite Ausweitungen folgen werden und das zur Erreichung der klimapolitischen Ziele absolut notwendig ist, bringt ebenso finanzielle Mehrbelastungen durch die Pflicht zum Einbau postfossiler Heizungen mit sich. Es ist leider nicht einfach so, dass „die Sonne keine Rechnung schickt“, wie in den Jahren der ökotechnischen Anfangseuphorie für den Umstieg geworben wurde. Die Nutzung von erneuerbaren Energien ist aufwendiger und teurer als die frühere Verfeuerung fossiler Energien zu Billigpreisen. Genau darauf bauen ja ökonomistisch orientierte Parteien ihre generelle (AFD) oder partielle (BSW) Ablehnung von Klimapolitik auf: „Das können ‚wir‘, der ‚Bürger‘ und ‚die deutsche Wirtschaft‘, uns nicht leisten.“

Eine progressive linke Position des „Care“ dagegen heißt: Klimapolitik so viel wie nötig, aber diese darf nicht zu Mehrkosten für die ärmere Hälfte führen. Vom gut verdienenden gesättigten „Mittelstand“, der deutlich über die von Linken – in etwas populistischer Manier - häufig lediglich genannten reichsten 1% oder 10% hinausgeht, darf hingegen finanzielle Solidarität erwartet werden. Mit dem Geld der Besserverdienenden ist nicht nur für temporären finanziellen Ausgleich zu sorgen, sondern dauerhaft „Angstfreiheit im Wandel“ herzustellen - ob mit Grundeinkommen oder sonstigen Garantien ökonomischer Existenzsicherheit. Auf Ebene der EU kann dies durch entsprechende Richtlinien einer „real just transition“ geschehen, die die Mitgliedsstaaten innerhalb einer befristeten Zeitspanne umsetzen müssen – angepasst an ihre sehr verschiedenen historisch gewachsenen sozialstaatlichen Strukturen.

Ob das Grundproblem der Verteilung der Transformationskosten durch Vergesellschaftung des Energiesektors (was häufig die linke Antwort ist) angemessen beantwortet wird, ist fraglich. Sicherlich gibt es Übergewinne in besonderen Markt-Situationen (wie beim Start des Ukrainekrieges), die nicht akzeptabel sind und abgeschöpft gehören. Generell wären die Kosten bei Energieproduktion in öffentlicher Hand aber lediglich um die Profitraten (von vielleicht 3-6%) geringer. Das spricht nicht dagegen, nicht profitorientierte Energieproduktion in öffentlicher Hand, vor allem beim Aufbau der neuen Netz-Infrastruktur, neuen Speichertechnologien etc., anzustreben. Eine Lokalisierung von Energieerzeugung im Sinne einer weitgehenden Abkopplung vom leitungsgebundenen Austausch von Energie, auch über große Distanzen (etwa von der Nordsee zum Ruhrgebiet oder nach Stuttgart), ist hingegen versorgungstechnisch illusionär und als Idee einer Abkopplung (Autarkie) von der Gesellschaft auch keine progressive linke Idee gesellschaftlicher Kooperation.