Prof. Dr. Irene Witte

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Der CO2-Gehalt der Atmosphäre steigt weiterhin und somit auch die weltweite Temperatur mit schon jetzt sichtbaren katastrophalen Extremereignissen. 2023 wurde eine mittlere globale Temperaturerhöhung von 1.45 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau gemessen. Damit ist schon heute die untere Schwelle des Pariser Klimaabkommens erreicht. 1.5 °C – 2.0 °C gilt als Grenze, ab der irreversible Schäden (Kipppunkte) nicht mehr vermieden werden können.

Es ist daher dringend notwendig den CO2-Ausstoß drastisch zu reduzieren. Allgemein wird hierzu eine ansteigende Bepreisung der CO2-Emissionen als effektives Mittel angesehen, um einen Anreiz zu geben auf weniger CO2–intensive Herstellungsprozesse umzusteigen. Weltweit gesehen ist Europa bei Planung und Durchführung einer CO2-Bepreisung weit fortgeschritten

 Große Emittenten wie Indien, Russland, die Golfstaaten, viele US-Staaten und Australien nutzen bislang dieses Instrument nicht, bei den meisten anderen Ländern beträgt der CO2 – Preis weniger als 1/10 im Vergleich zu Europa, so auch China, wo in begrenzten Regionen 1 % des europäischen Durchschnittspreises erhoben wird. Zu den Spitzenreitern der CO2 –Bepreisung zählen Schweden, die Schweiz, und die Niederlande. In diesen Ländern ist die hohe Besteuerung akzeptiert, da ein sozialer Ausgleich an die ärmere Bevölkerung erfolgt. Gleichzeitig ist festzustellen, dass das Ziel der CO2–Reduktion in der Regel umso größer war je höher die CO2–Besteuerung war, ohne Auswirkung auf das BIP (Abb.1).

Die Bepreisung von CO2 erfolgt auf zwei Wegen: einer direkten Besteuerung aller Produkte, bei deren Herstellung CO2 entsteht oder durch Verkauf/Versteigerung einer begrenzten Anzahl von CO2 –Zertifikaten an CO2 –Emittenten. Um einen Anreiz zur CO2–Minderung zu geben, muss in beiden Fällen die CO2–Bepreisung mit der Zeit steigen. Käufliche CO2–Zertifikate werden durch Verknappung bis auf null (2050) immer teurer. Eine Versteigerung und Festlegung einer Obergrenze erfolgt in Deutschland erst ab 2026. Wissenschaftlich fundierte Berechnungen ergaben, dass bei einem CO2–Preis von 200-300 €/t CO2 im Jahr 2030 der Benzinpreis sich um 70 Cent/l erhöht, bei einem CO2–Preis von 400 €/t CO2 im Jahr 2040 um 94 Cent/l. Allerdings sind diese Daten noch nicht sehr sicher, da sich die politischen Rahmenbedingungen bis 2040 stark ändern können.

Abb.1: CO2–Bepreisung auf den CO2–Ausstoß 

Die CO2–Besteuerung trifft am Härtesten die unteren Einkommensschichten (z. B. durch hohe Heizkosten mit fossilen Energieträgern), obwohl diese einen geringeren CO2–Fußabdruck haben (z. B durch geringere Mobilität). Auch länderspezifisch ist die Bevölkerung in ärmeren Ländern am Stärksten betroffen. Hier wird Energie hauptsächlich aus Kohle- und Gaskraftwerken erzeugt, was den Zukauf immer teurer werdender CO2-Zertifikate notwendig macht. Abb. 2 zeigt die Belastung der Bevölkerung in den einzelnen EU-Ländern. Ohne soziale Verwerfungen ist daher eine CO2 –Besteuerung nur durch Rückgabe des CO2 –Geldes an die Bevölkerung möglich. Hierzu zählt das geplante „Klimageld“. Das Klimageld soll laut UBA aktuell pro Person 130 €, ab 2027 250 € betragen. Dies entspricht den generierten Einnahmen aus dem Zertfikatenhandel (2023: 18.4 Milliarden €). Die Auszahlung des Klimageldes liegt bislang aufgrund des Widerstandes der FDP auf Eis. Neben dem Klimageld ist ein sozialer Ausgleich durch Steuersenkungen bei geringen Einkommen, Subventionierung vom Ausbau regenerativer Energien oder Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) möglich.

Abb. 2: Anteil der Stromkosten am Verdienst der Bevölkerung

Neben dem nationalen Emissionshandel existiert auch ein europäischer Emissionshandel mit den Richtlinie EU-ETS 1 (Bereich Energie- und Industrieanlagen). Ab 2027 tritt die Richtlinie EU-ETS 2 für die Bereiche Gebäude und Landverkehr in Kraft und löst den nationalen Emissionshandel ab. Auch hier ist mit den Einnahmen ein Sozialausgleich vorgesehen: Bis Mitte 2025 können von jedem Mitgliedsland nationale Klimasozialpläne mit konkreten Maßnahmen bei der EU-Kommission eingereicht werden um zusätzliche Mittel aus dem Zertifikatenhandel zu erhalten. Damit können auch ärmere Länder mit vergleichsweise geringen CO2–Emissionen von den CO2–Zertifikaten profitieren.

 

 

Was wäre eine linke Position dazu?

Die Bepreisung der CO2–Emissionen ist ein wichtiges, aber nicht ausreichendes Instrument zur notwendigen CO2–Reduktion. Das UBA beziffert die Umweltschäden von 1 t CO2 auf 200-800 €. Hierbei sind noch nicht die Folgekosten beim Überschreiten von Kipppunkten berücksichtigt. Selbst die höchste geplante CO2–Bepreisung in der Zukunft ist hiervon weit entfernt. Hinzu kommt, dass es weiterhin kostenlose CO2–Zertifikate gibt (z.B. für die Luftfahrt bis 2027).

Das bedeutet für uns

• CO2 –Zertifikate und CO2 –Steuer müssen alle Bereiche umfassen.

• CO2 –Zertifikate müssen erheblich teurer werden. • Umweltschädliche Subventionen (2018: 65,4 Milliarden € in Deutschland) müssen abgeschafft und durch andere CO2 –mindernde Regulierungen ersetzt werden. Die Subventionen aus Dienstwagenprivileg, Pendlerpauschale, Dieselkraftstoff, Kerosin übersteigen die Einnahmen aus der CO2 –Bepreisung. Sie betrugen 2018 47 % aller umweltschädlichen Subventionen.

• Der ÖPNV muss massiv ausgebaut werden um den Individualverkehr drastisch zu reduzieren.

• Die aus CO2 –Zertifikaten erzielten Einnahmen müssen sozialverträglich in Klimaanpassungsmaßnahmen gesteckt werden. Hierzu zählt das Klimageld, das nicht gießkannenmäßig verteilt werden soll sondern insbesondere einkommensschwachen Personen zugutekommen muss.

• Langfristig sollte die Energieversorgung und der ÖPNV verstaatlicht werden um eine Gewinnmaximierung zu verhindern.

Was sagt die AFD dazu?

Die AfD will die Energiewende rückgängig machen. Sie bezeichnet den Klimaschutz als „Irrweg“ und lehnt die Pariser Klimavereinbarung ab. Somit lehnt sie alle Maßnahmen zur Reduzierung von CO2–Emissionen ab: 

• Einstellung des Zertifikatehandels

• Kohle- und Gaskraftwerke in Betrieb lassen und sofortige Beendigung des Kohleausstieges

• Reparatur von Nordstream 1 und 2 sowie Bau weitere LNG-Terminals

• keinerlei Einschränkung der individuellen Mobilität

• Ablehnung eines weiteren Ausbaus der Windkraft und Ablehnung der Förderung von Windenergie und Photovoltaik

Über eine verstärkte Belastung der ärmeren Bevölkerung wird nicht gesprochen und schon gar nicht über einen sozialen Ausgleich. Alle Forderungen der AfD führen zu einem enormen CO2–Anstieg und somit - im Bunde mit anderen rechtsextremen Parteien - zu einer katastrophalen Temperaturerhöhung in Richtung 4°C.  Nichts tun ist auf jeden Fall am teuersten und nicht nur in finanzieller Hinsicht.