1) Wohnen im europäischen Niedriglohnland Portugal 2) Entvölkerung in Polens "Peripherie"

"Wohnen im europäischen Niedriglohnland Portugal"

von Georg Franzky Cabral

Englische Version hier

Vorweg, damit nicht falsche (Preis-)Vergleiche angestellt werden: In Portugal arbeiten zwischen 25 und 30% der abhängig Beschäftigten für den nationalen Mindestlohn, der seit dem 1.1.2024 stolze 820 € beträgt, monatlich versteht sich, minus Sozialabgaben (ca. 5 €/Std. brutto). Der nationale Durchschnittslohn lag 2023 bei ca. 1300 € brutto bei 14 Jahresgehältern. Laut Arbeitsministerium bezogen im Jahr 2022 etwa 56 % der abhängig Beschäftigten ein Gehalt von weniger als 1.000 Euro, bei den Unter30igjährigen waren es 65%. 

In vielen Ländern Europas wären diese Menschen offiziell von Armut betroffen, denn Portugal ist beim Index der Lebenshaltungskosten nur zwischen 15 und 20% billiger als in Deutschland! Mit abnehmender Tendenz!

Das ist die eine Realität bzw. Normalität im europäischen Niedriglohnland Portugal.

Eine andere: Lt. Nat. Statistik Inst. 2021 leben ca. 70% der Port. in Eigentum, die Raten auf dem Lande leichter abzahlbar, in den (Groß-) Städten heute kaum noch bezahlbar. Der Rest von ca. 30% der Bevölkerung wohnt zur Miete. Also genau umgekehrt wie in deutschen Landen, wo ca. 70% zur Miete wohnen. Das hat historische Gründe, da die port. Bevölkerung in diesem agrarisch strukturierten Land bis weit ins 20. Jahrhundert in ihrer Mehrheit auf dem Lande in eigenen kleinen Häusern und Hütten, Cabanas, lebte. In den Städten gab es eine durch den Diktator Salazar strikt durchgesetzte Mietpreisbindung, die eine den kargen Löhnen angepasste Mietpreisstruktur bot. Zwei Folgen: a) Die Menschen hatten bezahlbare Wohnungen, b) in den Städten verfielen zehntausende Häuser im Laufe der Jahrzehnte, da Sanierung bei den niedrigen Mieten seitens der Besitzer offenbar nicht lohnte.

Diese Zeiten sind vorbei.

Kassierte Räume: Wohnen in Portugal

Eine „Liberalisierung“ des Mietrechts im Jahr 2012 hat für viele kaum bezahlbare Mieterhöhungen und (Zwangs-) Räumungen nach sich gezogen, auf der anderen Seite die Sanierung vieler verfallender Altbauten erst rentabel gemacht. Unterstützung der Mieter seitens des Staates in dieser Transformationsphase: Fehlanzeige. Profitable Unterstützung der Eigentümer seitens des Staates via Abschreibungen, (EU-) Förderprogrammen: gelungen.

Das Problem für die Mieter: Es existiert in Portugal weder ein mit Deutschland vergleichbares „Wohnraummietrecht eines Bürgerlichen Gesetzbuchs“ oder Mieterschutzgesetze, Mietervereine oder gar Wohnungsbaugenossenschaften o.ä. Wie unzulänglich und einseitig die gesetzlichen Maßnahmen bspw. in Deutschland auch sein mögen, wie marktorientiert die Wohnungsbaugenossenschaften heute auch arbeiten, in Portugal existieren derartige Einrichtungen, Codices und auch Rechtsprechungen allenfalls in kleinen Ansätzen (Es gibt in den Städten oft „Bairros sociais“, das sind Billigbauten für Familien mit geringem Einkommen). Mensch handelt die Mietverträge mit dem Vermieter aus. Bei der heutigen Wohnungsnot, insbesondere in den Ballungsräumen, den Universitätsstädten und den touristischen Regionen stellt sich die Frage, wer da am längeren Hebel des Preisdiktats sitzt, überhaupt nicht. Jede-r weiß, wer den Preishammer zu seinen Gunsten schwingt. 

Ergebnis: Seit 2017 sind die Mieten im Durchschnitt um 42 Prozent gestiegen, die Gehälter wuchsen im gleichen Zeitraum nur einstellig. Schaut man sich oben noch einmal die Normalverdienste an, da sind Wohnungen für Familien von 600 bis 700 Euro oder mehr im Monat völlig unerschwinglich. Der Durchschnittsmietpreis in Portugal pro qm ist bei 15,8 € - historisches Hoch in März 2024 – angekommen.

Einer der preistreibenden Gründe: Touristen aus aller Welt besuchen millionenfach die angesagten Städte und Regionen. Die Einheimischen werden aus den angestammten Wohnmilieus verdrängt.

Inzwischen gibt es allein in Lissabon 25 - 30.000 ehemalige Wohnungen, die als touristische Unterkünfte über die entsprechenden Portale vermietet werden – mit hohen Profitspannen. Lt. dem entsprechenden nationalen Register ist der Algarve, die Tourismusregion Nr. 1, mit ca. 40.000 derartigen Tourismus-Wohnungen (neben hunderten von Hotels und ähnlichen Etablissements) führend in diesem Segment der profitablen Wohnraum-Vernichtung. Allein von März 2021 bis März 2022 gab es hier eine Steigerung von 160%. (OK, kann man Corona als Grund anführen. Aber zurückverwandelt in Wohnraum wurde bislang nichts). Selbst das Lissabonner Rathaus gibt zu: Im historischen Zentrum von Lissabon gibt es mehr touristisch als normal genutzten Wohnraum.

Mietpreisdeckel, Obergrenzen für Mietwohnungen, Niedrigzinsdarlehen für Familien etc. – alles Fremdwörter in Portugal und auch bei dem bis zum 10.3. 2024 regierenden PS.

Soviel zur Situation und den Bedingungen des Mietmarktes.                                                     

Wie oben schon erwähnt, wohnen ca. 70% der Familien in Eigentum. Nun, auch da muss der Kredit bei den Banken abbezahlt werden, zumindest für die große Mehrheit der Käufer von Wohneigentum. Hier haben sich ebenfalls die Preise nur in eine Richtung entwickelt. Hier die derzeitigen Preise pro qm Wohnraum im Durchschnitt in Portugal, auch hier historisches Hoch im März 2024: 2.610 €/qm (im März 2023 waren es noch 2.480 €), wobei der Distrikt Faro/Algarve mit 3.321 € und Lissabon mit 4008 € hervorstechen. Erinnert sei an die Einkommen, s.o.!

Kein Wunder, wurden z. B. im Algarve im Jahre 2023 von etwa 11.000 Objekten ca. 30% der Immobilien an wohlhabende bis reiche Ausländer verkauft, mit einem Marktvolumen von etwa 40%. Wenn auch die Anzahl der verkauften Immobilien portugalweit um fast 20% zurückging, so stiegen dennoch die Preise um satte 8,2 %. Im Gegensatz zur Entwicklung in der EU: Hier fielen die Preise das erste Mal seit 10 Jahren.

Eine einfache Erklärung zum Rückgang der Verkäufe: Portugiesen fallen als Käuferschicht zunehmend raus aus dem Markt: sie können sich Wohneigentum nicht mehr leisten, denn nicht nur die Preise stiegen jedes Jahr, in manchen Segmenten oder Regionen sogar zweistellig, man muss auch wieder kräftig Zinsen zahlen. Wobei die Einkommen mit diesen Entwicklungen und der grassierenden Inflation natürlich nicht mitkommen – gab es ja noch nie!

Dafür gibt es das: Nach Daten der nationalen Wertpapiermarktkommission (CMVM), lag das Engagement von 265 Immobilienfonds in Wohnimmobilien in Portugal im Dezember bei über 2,5 Mrd. Euro, 59 % mehr als im November und 63 % über dem im Dezember 2022 verzeichneten Wert.

Offene Immobilienfonds erzielten zwischen Juni 2022 und 2023 eine durchschnittliche Rendite von 4,31 % und lagen damit über dem Durchschnitt der letzten drei Jahre, der bei 4,04 % lag.

Was unternimmt die Politik?

Nachdem das Kind nicht nur in den Brunnen gefallen, sondern darin ertrunken war, d. h. als die Leute auf die Straße gingen, Aktionen gegen die Touristenmassen stattfanden, mehr und mehr Menschen auf der Straße, in den U-Bahnen und auf den Bahnhöfen übernachteten, gab es doch ab 2022 halbherzige Maßnahmen seitens der auch von den kleinen linken Parteien getriebenen PS-Regierung. Sie brachten aber keine Verbesserungen. 

Nun haben wir in Portugal seit dem 10. März 2024 eine Mitte-Rechts-Regierung, die in ihrer Mehrheit auf den alles regelnden Markt setzt. Und die rechtsradikale Partei ´Chega`, seit dem 10. März mit 50 Abgeordneten im Parlament, hebt jetzt schon die Hände zur Zustimmung: Nur, bei denen soll alles noch viel schneller privatisiert werden, Schule, Ausbildung, Uni, Gesundheitssystem, alles, was nicht niet- und nagelfest ist
(siehe zu den Wahlen den Podcast des Autors dieses Teils Podcast 17, Georg).

Was sind mögliche Forderungen:

Schaffung einer sozialen Mietgesetzgebung (bei allen Einschränkungen: Mit einem solchen Instrument wäre die Goldgräberstimmung bei den Vermietungen in Portugal vorbei).

Klares Verbot der Schaffung weiterer touristischer Umnutzungen von Wohnraum.

Mietpreisdeckel, Obergrenzen für Mietwohnungen, Niedrigzinsdarlehen für Familien u.a.

Nach einem festzulegenden Procedere Enteignungen von geeigneten Immobilien zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.

Gründung von Wohnungsbaugenossenschaften o.ä.

 

Entvölkerung in Polens "Peripherie"

von Helmut

Rapocin...

... (Verwaltungsbezirk Glogau/Głogów), welches bereits im 13. Jahrhundert existierte, war einst sehr lebendig. Heutzutage sind hier nur ein paar verfallene Gebäude zu sehen. Darunter befinden sich ehemalige Bauten und Kirchen, welche vom Nationalen Institut für das Kulturerbe zu Denkmälern ernannt wurden.

Westfalenhof/Kłomino... 

... (Woiwodschaft Westpommern) wird inzwischen nur noch etwa von einem Dutzend Menschen bewohnt. Auf dem Gebiet der ehemaligen Eisenhüttensiedlung Kamieniec (Gemeinde Gross Lassowitz/Lasowice Wielkie) befindet sich heute ein Naturschutzgebiet. Mehrere verlassene Häuser werden dem Verfall preisgegeben.

Rothflössel/Czerwony Strumień...

... (Woiwodschaft Niederschlesien) besteht inzwischen aus den Ruinen einer Barockkapelle, Fundamenten von Gebäuden und mehreren religiösen Skulpturen. Von Johannesberg/Janowa Góra sind nur vier Häuser und die Ruinen der Kirche erhalten geblieben.

Kęszyca Leśna ...

... (Woiwodschaft Lebus) ist noch nicht völlig verlassen. Es gibt dort ein Hotel mit einem Restaurant, Geschäfte, ein Feuerwehrhaus mit einem Feuerwehrmuseum, eine Kapelle und immerhin eine Bushaltestelle (wie häufig der Bus hält, ist unbekannt).  

Weitere Information zum Landgrabbing:

 Die neuen Großgrundbesitzer Das Geschäft mit Europas Boden ARTE:
https://www.youtube.com/watch?v=hz3c1FWwFj8