Buchbesprechung
am 26.05.19, 11 Uhr, Donnerschweerstr.55
Prof. em. Carles Ossorio-Capella stellt folgendes Buch vor:
Heinrich August Winkler: Zerbricht der Westen? Über die gegenwärtige Krise in Europa und Amerika
Winkler hat eine vierbändige "Geschichte des Westens" geschrieben, in der er zeigt, dass die westlichen Mächte im zwanzigsten Jahrhundert eine weltweite, hegemoniale Position innehaben. In dem Band "Zerbricht der Westen?" untersucht er, wie Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts das liberale Modell, dem diese westlichen Mächte folgten, zu kriseln beginnt. In den USA verändert sich die Strategie: von einem universelle Ziele verfolgenden Schwerpunkt zu "America first".
In Europa war das liberale Modell an das Projekt der politischen Europäischen Union gebunden. Schritte in Richtung seiner Verwirklichung wurden mit der räumlichen Ausdehnung der Union immer schwieriger, da die Ausweitung der Rechte der EU eine Überstimmung aller Mitglieder voraussetzt. Hinzu kommt, dass die neuen Mitglieder der Europäischen Union, die früher dem Warschauer Pakt angehörten,- Ungarn, Polen und Rumänien - , sehr großen Wert auf die nationalen Kompetenzen ihrer Länder legen, während das für das liberale Modell konstitutive Element der Gewaltenteilung für sie bestenfalls zweitrangig ist.
Hinzu kommt, dass in fast allen Mitgliedsländern die Skepsis gegenüber der Europäischen Union zugenommen hat und in Großbritannien sich sogar eine Mehrheit der Bevölkerung in einer offiziellen Volksbefragung für den Austritt aus der Union ausgesprochen hat.
Schritte, um Funktionen des Europäischen Rates auf die Europäische Kommission oder das Europäische Parlament zu übertragen, werden zudem dadurch behindert, dass solche Schritte nur durch den Rat selbst beschlossen werden können, was letztlich eine unwahrscheinliche Selbsteinschränkung seiner eigenen Rechte bedeuten würde.
Hinzu kommt, dass im neuen Jahrtausend die Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA lockeWinkler_Vortrag_26519_1.pdfrer wird: In den USA wandert der Interessenschwerpunkt vom Atlantik zum Pazifik und auf der internationalen Ebene werden einige Entscheidungen getroffen, die im Widerspruch stehen zu den Positionen der meisten europäischen Länder und der Europäischen Union. Dies trifft beispielsweise auf den Handelskrieg mit China und mit dem Iran zu, auf die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem oder den Bau einer Mauer zwischen den USA und Mexiko.
Vielleicht ist die Eigenwilligkeit der USA besonders gefährlich in Bezug auf die Klimafrage. Aber auch das liberale Modell hat auf diese Frage keine überzeugende Antwort.