Kapitalistisches Naturverhältnis:
„End of the road” oder „Never ending story?“
Wann: am 20.10.2012,
10.00 Uhr bis 17.00 Uhr
Wo: In den Räumen der ALSO, Donnerschweerstr. 55
Wir bitten um Anmeldung unter
Mit den Worten „Der Mythos geht in Aufklärung über und die Natur in bloße Objektivität... In der Verwandlung enthüllt sich das Wesen der Dinge immer als je dasselbe, als Substrat von Herrschaft“ beginnen Horkheimer und Adorno ihre epochales Werk über Dialektik der Aufklärung. In dem Prozess dieser Wandlung ändert die Natur ihr Antlitz und wird zur zweiten, gesellschaftlich hergestellten Natur, die den Prozessen von Kapitalakkumulation unterworfen ist. Substrat dieser Umwandlung in beherrschbare Produktionsprozesse ist die massive Anwendung von Energie und die Isolation der Naturstoffe von ihrer Einbindung in das Naturganze – paradigmatisch realisiert in der chemischen Industrie mit ihrer Trennung der chemischen Substanzen und ihrer künstlichen Neuzusammensetzung im gereinigten Zustand. Der objektive Zwang zu Kapitalakkumulation akzeptiert dabei keine „natürlichen“, zeitlichen und örtlichen Grenzen, er verkürzt die Lebenserwartung von Schlachtvieh auf ein Minimum seiner eigentlichen Lebensspanne und er rekombiniert die Gene von Pflanzen und Tieren, um diese den Zwängen zur permanenten Output-Vermehrung und ständigen Verkürzung des Produktionszyklus anzupassen. Denn der Prozess der relativen Mehrwertproduktion wäre ohne solcherart wachsende reelle Subsumtion der Natur unter die Bedürfnisse der Kapitalakkumulation nicht denkbar - nur durch sie kann die notwendige Arbeitszeit zur Reproduktion der Ware Arbeitskraft kontinuierlich reduziert werden. Die industrielle Produktion ist aber inzwischen in allen Bereichen, speziell aber auch in der Landwirtschaft, an ihre Grenzen getrieben. Neben der ökonomischen Krise stehen wir vor einer ökologischen Krise, als Versteppung, als Klimakatastrophe, als unumkehrbarer Verlust von biologischer Vielfalt und als Serie verschiedener Peaks der Rohstoffextraktion, die das Ende des fossilen und anorganisch chemischen Zeitalters der Produktion andeuten.
In der Linken aber wird spätestens seit ihrer Abkehr von dem Projekt der Grünen Partei das Verhältnis zur Natur wieder rein technisch und untergeordnet unter eine soziale Umverteilungspolitik diskutiert, die die eigentliche Voraussetzung für eine gesellschaftliche Transformation darstelle. Damit bleibt die Thematisierung des Naturverhältnisses einem linken Gesellschaftsprojekt äußerlich. Diese Lücke verlängert die faktische Übereinstimmung der kapitalistischen und real-sozialistischen Länder in einer rein instrumentellen Auffassung der Natur in die Gegenwart. Damit wird aber ein bedeutsames Moment zur Lösung der gegenwärtigen „organischen“ Krise verspielt: die Stärke der Ökologiebewegung in den nördlichen Ländern Europas und in den indigenen Gemeinden Südamerikas. Denn in diesen Ländern ist es nicht klar, ob das kapitalistisch-herrschaftliche Verhältnis über die Natur auch zukünftig allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz behalten wird. Vielmehr könnte sich aus der noch starken Ökologiebewegung in Europa und den Widerstandsbewegungen von Indigenen und Kleinbauern in der kapitalistischen Peripherie als Gemeinsamkeit eine Definition eines nicht kapitalistischen Naturverhältnisses herausschälen. Den gemeinsamen Rahmen für die zukünftigen gesellschaftlichen Kämpfe bildete dann die Frage nach dem Common oder dem „guten Leben“: Wie viel an Rechten wollen und müssen wir der Natur als eigenständigem Moment im Rahmen einer Ko-Evolution mit der gesellschaftlichen Entwicklung vertragsförmig zugestehen? Gibt es einen nicht instrumentellen, „mimetischen“ Weg des intellektuellen und ökonomisch-praktischen Umgangs mit Natur? Und wie viel an Commons (freier Zugang zu Nahrung, Wohnen, Gesundheit, Bildung und Kommunikation) ist vorläufig in Europa, später auch international, zu einem „guten Leben“ zu gewährleisten? Die Beantwortung dieser Fragen wird sicher Umverteilung von Reichtum notwendig machen – sie stellt aber die von der traditionellen Linken vorgegebene Rang- und Reihenfolge in Frage.
Um diese moralischen wie strategischen Fragen intensiver zu diskutieren, plant das Linke Forum Oldenburg einen Herbstworkshop. Dieser soll sich einerseits mit der erkenntnistheoretisch-instrumentellen Naturauffassung der Moderne, andererseits aber auch mit der Verflochtenheit der industriellen Ausbeutung der Natur und der im Kapitalismus notwendigen Mehrwertproduktion beschäftigen. Wir wollen zudem einen Blick auf die Frage werfen, ob die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion weiter möglich ist, wie es die Gentechnik verspricht, oder ob die Bodenausbeutung „the end of the road“ erreicht hat. Und wir wollen die Frage diskutieren, ob Natur als ein klassisch instrumenteller „Gegenstand“ zu interpretieren ist oder als „Subjekt“ in einem moralischen und rechtlichen Diskurs anerkannt werden sollte, so wie die Konzeption des „guten Lebens“ in der ecuadorianischen Verfassungsdiskussion es vorsieht.
Organisatorisch ist geplant, Texte an die Teilnehmer zu verschicken, die während des Workshops zusammen mit zusätzlichen Materialien diskutiert werden sollen. Gelesen und diskutiert werden sollen kurze Auszüge aus der „Dialektik der Aufklärung“, aus dem Text des linken Geographen Jason Moore „End of the road“, Auszüge aus dem Buch von Foster, Clark, York „Der ökologische Bruch“ sowie ein Text um die Verfassungsreform in Ecuador und Bolivien. Die Texte werden jeweils von einem Mitglied des Linken Forums vorgestellt, so dass eigenes Lesen nicht zwingend notwendig (aber sehr erwünscht) ist. Zusätzlich werden Kurzinformationen zur industriellen Landwirtschaft, zur Entwicklung der Nahrungsmittelpreise und zu möglichen und notwendigen politischen Bündnissen gegen diese Entwicklung gegeben.
Wir bitten um Anmeldung unter