Diskussion des Textes von Nancy Fraser und Wiederaufnahme der Besprechung der Studie „Bioökonomie als Einsatz polarisierter sozialer Konflikte?“
am Sonntag, 22.01.23, 11.00 Uhr, in der Donnerschweerstraße 55
Ziel ist es, zu einer Einschätzung zu gelangen, welche Aspekte eine politische Orientierung der Linken enthalten muss, um wieder in die Offensive zu kommen.
Aus der Einleitung in den Text von Nancy Fraser,
siehe https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/was-heisst-sozialismus-im-21-jahrhundert/ :
"Allenthalben wird wieder über ‚Sozialismus‘ gesprochen. Über Jahrzehnte war das Wort verpönt – es stand für ein schreckliches Scheitern, war Relikt längst vergangener Zeiten. Damit ist es vorbei! Heute tragen Politiker*innen wie Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez das Label ‚sozialistisch‘ mit Stolz und stoßen damit auf Zustimmung. Organisationen wie die ‚Democratic Socialists of America‘ können sich kaum vor neuen Mitgliedern retten.
Aber was genau verstehen sie unter ‚Sozialismus‘? Selbst wenn wir uns über die neue Begeisterung freuen sollten, übersetzt sich diese nicht automatisch in eine ernstzunehmende inhaltliche Auseinandersetzung. Wofür genau steht in heutigen Zeiten also ‚Sozialismus‘ und wofür sollte er stehen?
Zu diesen Fragen stelle ich hier einige Überlegungen an, die noch keine fertigen Antworten sind. So wie ich eine weitgefasste Analyse des Kapitalismus vertrete, so schlage ich auch für den Sozialismus ein umfassendes Verständnis vor, das mit dem gängigen Ökonomismus früherer Ansätze bricht. Da ich die kapitalistische Wirtschaftsweise nicht losgelöst, sondern im Zusammenhang mit ihrem widersprüchlichen und zerstörerischen Verhältnis zu ihren ‚nicht-ökonomischen‘ Voraussetzungen betrachte, steht für mich fest, dass Sozialismus mehr leisten muss, als nur die Sphäre der Produktion zu verändern. Er muss darüber hinaus einen grundlegenden Wandel in Bezug auf die Bereiche und Bedingungen herbeiführen, die die kapitalistische Produktion erst ermöglichen. Ich spreche hier von der Reproduktionssphäre, der Staatsmacht, der nicht-menschlichen Natur und von Formen des Reichtums, die außerhalb des formalen Zugriffs des Kapitals und trotzdem in seiner Reichweite liegen. Oder anders ausgedrückt: Ich bin der Auffassung, ein zeitgemäßer Sozialismus muss nicht nur die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit abschaffen. Er muss genauso die Ausnutzung von unbezahlter Care-Arbeit sowie von öffentlichen Gütern überwinden, und die Aneignung des Reichtums, der auf der Enteignung von rassifizierten Menschen und Naturressourcen beruht, beenden...“