Von “Love the one you are with” zu Taylor Swift und Janelle Monae.

Linkes Forum Oldenburg, 20.10.24, 11.00 Uhr, Donnerschweerstr. 55 

1960 wird in den USA die erste „Anti-Baby“ Pille zugelassen. Damit ist geschichtlich insbesondere für Frauen das erste Mal die objektive Möglichkeit sexueller Befreiung gegeben. Diese Möglichkeit mündet in die Utopie des „Summer of Love“ der Antikriegs- und neuen linken Bewegung. Kennzeichnend dafür ist das Lied von Crosby, Stills, Nash and Young „If you can’t be with the one you love, love the one you are with”. Parallel zur Zulassung der Anti-Baby Pille verändert sich die US-amerikanische Gesellschaft: Landwirtschaft und Industrie verlieren an Bedeutung, Frauen dringen in die Erwerbsarbeitsplätze des Dienstleistungssektors, die Zahl der Ehen und der Kinder sinkt rapide. In der Kulturindustrie spiegelt sich das als zunehmende Selbstständigkeit von weiblichen Sängerinnen wider, allerdings mit starker Sexualisierung ihres Körpers, und als Rebellion gegen jede Form von tradierter sexueller Scham, zwei Entwicklungen für die z.B. Tina Turner und Madonna stehen.

Das Ende der neoliberalen kulturellen Rebellion zeichnet sich mit der Finanzkrise ab. Spätestens hier wird deutlich, dass die Form der sexuellen Befreiung, wie sie in der Kulturindustrie einen ästhetischen Ausdruck gefunden hatte, nicht auch die wirkliche gesellschaftliche Entwicklung widerspiegelt – speziell in den USA mit einer extremen Familienbezogenheit der Mittel- und Oberschichten. Der Verlust der Käuferbasis für die neoliberale rebellisch-zerstörerische ästhetische Revolte erfordert einen kulturindustriellen Kompromiss zwischen traditionellem Familienideal und selbstständiger Frauenrolle. Taylor Swift steht für diesen ästhetischen Kompromiss, was ihre hohe Popularität gerade unter weißen jungen Frauen erklärt. Parallel dazu sucht aber auch das weiterhin vorhandene Bedürfnis nach sexueller Befreiung und Überwindung des traditionellen Geschlechterverhältnisses einen ästhetischen Ausdruck. Basierend auf der Zerstörung der sozialen Reproduktion intakter schwarzer Familien, die ab 1960 immer weiter um sich greift, komponiert Janette Monae Musik-Clips, die der Utopie einer Überwindung von Geschlecht und sexueller Herrschaft, wie sie im Summer of Love naiv erhofft wurde, eine neue ästhetische Form geben. Was jedenfalls alles zu diskutieren wäre. Wir sehen und hören (soweit vorhanden) die offiziellen Musik Videos von Youtube (nur angespielt):

Taylor Swift Videoclip: Blank space (3.5 Mrd. Zugriffe auf Youtube)

Crosby, Stills, Nash and Young: Love the one you are with (329000 Zugriffe auf Youtube)

Janis Joplin: Cry Baby (3.2 Mio Zugriffe auf Youtube)

Hendrix: Have you ever been to electric lady land (441000 Zugriffe auf Youtube)

Madonna: Erotica (14 Mio Zugriffe auf Youtube)

Taylor Swift: Shake it off (3.4 Mrd. Zugriffe auf Youtube)

Taylor Swift ft. Chris Stapleton: I Bet You Think About Me (64 Mio. Zugriffe auf Youtube)

Taylor Swift: We Are Never Ever Getting Back Together (791 Mio. Zugriffe auf Youtube)

Janelle Monae: Many Moons (1 Mio. Zugriffe auf Youtube)

Janelle Monae: Yoga (73 Mio. Zugriffe auf Youtube)

Janelle Monae: Float (3.1 Mio. Zugriffe auf Youtube)

 

Helmuth