Einladung an alle Interessierten für das Treffen
am 26.05.2024, 11.00 Uhr, Donnerschweer Str. 55
Das Ergebnis der Debatte mit neuem Konsenspapier findet sich hier
Vor einem halben Jahr haben wir im Linken Forum ein Konsenspapier zum Ukrainekrieg abgestimmt und das Ergebnis dieser Abstimmung auf unserer Webseite veröffentlicht. Siehe hier
Inzwischen ist der Krieg in eine neue Phase getreten. Die militärisch leider zwingende Notwendigkeit, ein Land so weit zu bombardieren, dass der Nachschub massiv gestört wird, ist zum wesentlichen Zweck der Kriegsführung geworden. Die Fantasien, dass die ukrainische Armee in der Lage wäre, innerhalb eines absehbaren Zeitraums die russische Armee zu schlagen, sind durch die Realität eingeholt worden.
Glaubwürdige Quellen sprechen von 200.000 toten oder verletzten Soldaten der ukrainischen Armee, die Zahl der russischen Toten und Verletzten wird höher liegen. Und das schreckliche Sterben ukrainischer und russischer Soldaten geht im Kontext der aktuellen Offensive der russischen Armee eher vermehrt weiter, wie auch die massiven physischen und psychischen Traumata auf beiden Seiten anwachsen.
Und nicht zuletzt: Die geforderte und aus militärischer Logik zwingend notwendige Umwandlung beider Kriegsblöcke in Kriegswirtschaften oder wenigstens kriegstaugliche soziale und ökonomische Strukturen zerstört immer mehr an Presse-, Versammlungs- und Organisationsfreiheit nicht nur in Russland und der Ukraine, sondern sie blockiert auch sozialökologische Entwicklungspfade in Europa.
Offensichtlich ist keine der deutschen regierungsrelevanten Parteien gewillt, irgendetwas Vernünftiges zur Beendigung des Krieges zu unternehmen. Im Gegenteil, es droht eine aktive militärische Teilnahme an dem Konflikt, jedenfalls wird eine solche von einigen PolitikerInnen gefordert. Es ist also Zeit, die Diskussion über unser abgestimmtes Konsenspapier wieder aufzunehmen, in der zugegebenermaßen ziemlich hilflosen Hoffnung, dass gelingende Versuche einer solchen Konsensbildung die politischen Kräfte zur Beendigung des Krieges stärken könnten.
Folgende Fragen...
müssen dringend weiter diskutiert werden:
- 1) Unser Konsens umfasste einen sofortigen bedingungslosen Waffenstillstand. Ist diese Forderung nach wie vor richtig oder geht es doch eher darum, Friedensverhandlungen zu verlangen?
- 2) Die Diskussion, was aus diesem Ziel eines bedingungslosen Waffenstillstands für die Waffenlieferung folgt, wurde von uns nicht beendet und abgestimmt, weil die Zeit fehlte. Was ist also aktuell richtig: sofortige Einstellung der Waffenlieferung oder flexible Reduktion oder Eskalation je nachdem, wie sich die russische oder ukrainische Regierung zu der Forderung nach diesem stellt?
- 3) Wir müssen aber auch an ein mögliches Ende des Krieges denken und das ist keineswegs trivial, wie die Weimarer Republik oder aktuell die Situation in Syrien zeigt. Das Ende des Krieges wird bedeuten, dass Russland und die Ukraine aus einem Zustand kompletter Kriegswirtschaft auf zivile Produktion umstellen müssen, angesichts einer gleichzeitig immensen Verschuldung, zerstörter Infrastruktur, traumatisierter Bevölkerungsgruppen, paramilitärischer Gruppen und ökologisch zerstörten Landstrichen. Durch ein Kriegsende ohne militärischen Sieg wird es zu einer massiven Delegitimierung beider Regierungen kommen, weil das Ergebnis des Krieges in keinem Verhältnis zu den Opfern stehen wird, die bereits vorhanden und die zusätzlich absehbar sind.
- Gleichzeitig geht es auch um die Frage, welche sozialen und ökonomischen Angebote die entscheidenden politischen Böcke im Russland und der Ukraine dazu motivieren könnten, den aktuellen unerträglichen Kriegszustand zu beenden. Wie sieht es mit der Forderung nach Reparationszahlung an die russische Regierung aus, die von der ukrainischen Regierung erhoben wird? Und sollten Wirtschaftsboykottmaßnahmen bestehen bleiben, mit entsprechenden Konsequenzen für die russische Bevölkerung?
- Der Ukrainekrieg ist eine Konsequenz des Einmarsches der russischen Armee in ukrainisches Staatsgebiet. In unserem Konsens waren wir uns einig, dass es einer wissenschaftlichen und juristischen Aufarbeitung dieses Verstoßes gegen das Völkerrecht bedarf (wie aller anderen auch). Wie kann es bei dieser Forderung bleiben, wenn eine solche Aufarbeitung zu entsprechenden Konsequenzen für die politisch Verantwortlichen führen würde, was die Bereitschaft in Richtung eines Kriegsendes reduzieren wird?
- 4) Parallel dazu: welche Perspektiven sehen wir für die ukrainische und russische Linke bei Beendigung der Kriegshandlungen? Das Ende des 1. Weltkrieges, aber auch des deutsch-französischen Krieges haben gezeigt, dass solche Situationen günstig sind, um politische Machtverhältnisse zu stürzen. Aber weder in Russland noch in der Ukraine existiert ein belastbarer Grad an linker politischer Organisation, der mit dem zu erwartenden gesellschaftlichen Chaos umzugehen in der Lage wäre. Was ist also unsere Position zur politischen Strategie der Linken in Russland und der Ukraine, wenn die Kriegshandlungen beendet wären? Reicht die Analogie des 1. Weltkriegs, um gemäß der Entwicklung in der Weimarer Republik etwas über die richtige Nachkriegspolitik der politischen Linken in beiden Ländern ableiten zu können?
- 5) Last, but not least: In unserem Konsenspapier haben wird die Notwendigkeit des freien Handels und Transports von Nahrungsmitteln betont wegen der deutlichen Zunahme weltweiter Hungersnöte. Wäre es sinnvoll, diese um eine UN-Initiative zu ergänzen, jeden Handel mit Kriegswaffen zu verbieten, angesichts der weltweit wachsenden Zahl von Gewaltkonflikten und scheiternden Staaten? Oder überbelastet eine solche Ausweitung nur die Möglichkeit einer Konsensfindung?
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Vorschlag für den Ablauf der Diskussion
- Die ersten zwei Punkte sind konkret diskutierbar und könnten wieder abgestimmt werden. Die folgenden drei Punkte sind wichtig, aber auch hoch spekulativ und brauchen eine längere Diskussion. Wir schlagen also eine Zweiteilung des Treffens vor, mit einer ersten Hälfte zum Ausloten, ob eine Erweiterung unseres gefundenen Konsenses möglich ist, und einer zweiten Hälfte zur suchenden Orientierung in Richtung einer linken Doppelstrategie zur Beeinflussung von Inhalten deutscher Außenpolitik und zur Beratung über mögliche Perspektiven linker Organisationen nach Beendigung der Kriegshandlungen in Russland und der Ukraine.