Buchvorstellung durch Anna Rosa Ostern

am 23.06, 11.00 Uhr, Donnerschweerstr. 55

Frank Schumann setzt sich mit der Konzeption der gesellschaftliche Bedingtheit individuellen Leidens in der gesellschaftskritischen Rezeption der Psychoanalyse durch die Kritische Theorie der Frankfurter Schule auseinander. Dazu zeichnet er die ersten Vermittlungsbemühungen von Psychoanalyse und Gesellschaftstheorie durch den Kreis um Fromm und Horkheimer, Adornos eher kulturpessimistische und Marcuses utopisch ausgelegte Gesellschaftsanalysen bis hin zu den neueren „Restaurierungsversuchen“ von Habermas und Honneth nach. Schuman vertritt die These, dass Kritische Theorie zu keinem Zeitpunkt wirklich feststellen konnte, wie und warum sich individuelles Leiden auf psychischer Ebene konstituiert.

Buchvorstellung „Leiden und Gesellschaft. Psychoanalyse in der Gesellschaftskritik der Frankfurter Schule.“ (2018) von Frank Schumann durch Anna Rosa Ostern:

Die Diskussion um „Burnout“ oder die „Erschöpfung, man selbst zu sein“ (Ehrenberg 2008) ist aus den Tiefen kritischer Sozialwissenschaft schon länger im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen. Die Vorstellung, das eigene, als existentiell empfundene psychische Leiden sei auch durch gesellschaftliche Umstände verursacht oder mindestens beeinflusst, ist jedoch nicht erst in der durch Subjektivierung und steigenden Effizienzdruck geprägten jüngeren Vergangenheit entstanden. Einer der Anfänge dieses Diskurses zeichnet Dr. Frank Schumann in seinem Buch „Leiden und Gesellschaft“ nach.

Er versucht die Kritische Theorie (hier: Horkheimer, Adorno, Marcuse, aber auch Habermas und Honneth) in ihren Versuchen, individuelles Leiden zu erklären, nachzuvollziehen. Schon von Anfang an bezogen sich diese auf die Psychoanalyse als eine Vergesellschaftungstheorie, um ihre Gesellschaftskritik zu komplettieren. Schumann zeichnet die ersten Vermittlungsbemühungen von Psychoanalyse und Gesellschaftstheorie, angefangen bei dem Kreis um Fromm und Horkheimer über Adornos eher kulturpessimistische und Marcuses utopisch ausgelegte Gesellschaftsanalysen bis hin zu den neueren „Restaurierungsversuche“ (Schumann) von Habermas und Honneth, nach.

Der Vortrag möchte jene gesellschaftskritische Rezeptionsgeschichte der Psychoanalyse, wie sie von Schumann beschrieben wird, nachzeichnen. Hierbei soll in einem ersten Teil das theoretische Problem, individuelles Leiden auf psychischer Ebene mit gesellschaftlichen Strukturen zu verbinden, erläutert werden. Anschaulich wird dies an dem von Schumann erwähnten Forschungsprojekt unter Horkheimer. Schumann stellt die These auf, dass Kritische Theorie zu keinem Zeitpunkt wirklich feststellen konnte, wie und warum sich individuelles Leiden auf psychischer Ebene konstituiert. Stattdessen wird Leiden als rein vergesellschaftet verstanden und die Nutzung der Psychoanalyse als klinische Wissenschaft vernachlässigt.

In einem zweiten Teil sollen dann – an diese These anschließend – exemplarisch Adornos und Marcuses Versuche, individuelles Leid als gesellschaftlich verursacht darzustellen, beschrieben werden. Schumann zeigt hier Momente des „Scheiterns“ auf. Zur Diskussion gestellt werden soll die von Schumann aufgestellte These, sowie die Frage, wie sich Psyche und Gesellschaft gegenseitig bedingen und erklären. Hierbei kann vor allem die Frage nach den „psychischen Ursachen der Aufrechterhaltung des irrationalen Ganzen“ (Eichler, 2013) gestellt werden.

[Anna Rosa Ostern, BA Soziologie studiert Psychologie an der IPU Berlin.] Eichler, L. (2013). System und Selbst. Bielefeld: Transcript Verlag. Ehrenberg, A. (2008). Das erschöpfte Selbst: Depression und Gesellschaft in der Gegenwart. Frankfurt am Main: Suhrkamp.