Vortrag von Dr. Ulrich Schachtschneider und Michael Golba

am 09.06.24, 11.00 Uhr, Donnerschweer Str. 55

Kann es das geben, einen linken Populismus? Und wenn ja, führt das nicht zu einer gefährlichen Emotionalisierung, läuft das nicht auf eine Unterscheidung von gutem Volk und bösem Establishment hinaus?

Chantal Mouffe leitet ihr Plädoyer für einen linken Populismus aus der von ihr mit Ernesto Laclau verfassten Diskurstheorie des Politischen ab: Dort wird die These entwickelt, dass Politik nur über konfrontative Wir-Sie-Konstruktionen funktioniert.

Inwieweit damit aber eine problematische Ablehnung eines individuellen Freiheitsbegriffs der modernen Demokratie zugunsten der Konstruktion eines kollektiven „Volkes“ verbunden ist, wird zu diskutieren sein.  

Hintergrundpapier siehe hier

Mit diesem ergänzten und überarbeiteten Hintergrundpapier knüpfen wir an die Präsentation der gemeinsamen Veröffentlichung von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe, 'Hegemonie und radikale Demokratie. Zur Dekonstruktion des Marxismus' an (LiFo 2024-03-03). 

Im Zentrum steht jetzt allerdings der Mouffsche Begriff des Politischen und ihr Vorschlag, mit diesem Konzept Diskursverschiebungen im Politischen zu erreichen (Kap 4 und 5).

Dabei will dieses Papier kritisch aufzeigen, wie Mouffe mit ihrer Inanspruchnahme des ‚Freund/Wir vs Feind/Sie‘ Schemas von Carl Schmitt, das den individuellen Freiheitsbegriff der ‚Modernen Demokratie‘ in Frage stellt, und der radikalen Differenzierung des Politischen (le politique) von der Politik (la politique) bei Claude Lefort zu einem ‚eingehegten‘ Politischen gelangt und auf diese Weise das nach ihrer Meinung aktuell nur noch im moralischen Register vorkommende Politische wieder in ein radikales Politisches transferiert, dabei gleichzeitig aber die individuellen Freiheitsrechte des Einzelnen schützt und die Institutionen der Modernen Demokratie erhält. 

Mit anderen Worten: Wie Mouffe von einer antagonistischen Form des Politischen, a la Schmitt und Lefort, zu einer von ihr agonistisch genannten Form gelangt.

Die politische Brisanz der Mouffschen Inanspruchnahme von Theoriefiguren verschiedenster Autoren (insbesondere Lefort, Schmitt, Gramsci, Lacan und Canetti) liegt auch darin, dass einige (insbesondere Schmitt, Gramsci, aber auch L/M selbst) inzwischen von der internationalen Neuen Rechten vereinnahmt werden und diese Mouffsche Inanspruchnahme als neue Querfront markiert wird.