Armut im Alter = fehlende Freiheit

verfasst von Helmuth       english version     version francaise   

Menschen in Europa werden im Durchschnitt älter, die damit verbundenen Probleme steigen. Denn Menschen im Rentenalter sind häufiger ärmer und dieses Armutsrisiko ist in Europa sehr unterschiedlich verteilt. Diese Unterschiede folgen weniger dem Wohnort in einer Himmelsrichtung Europas (Norden, Süden, Osten oder Westen), wie die Abbildung 1 zeigt. Im Baltikum ist fast jeder zweite ältere Mensch arm, in Tschechien und Ungarn liegt diese Zahl unter 10 %. Für Deutschland ist das Risiko, als Rentner arm zu sein, im Übrigen höher als im Schnitt der Europäischen Union. Wobei Armut hier relativ definiert ist – bestimmter Abstand zum mittleren Einkommen der Bevölkerung. Und das schwankt natürlich zwischen der Schweiz und Rumänien erheblich (siehe den nächsten Abschnitt). In jedem Fall sind die Unterschiede in der Rentenhöhe Ausdruck einer fehlenden gemeinsamen Festsetzung für Gesamteuropa.  

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Prozent Armutsgefährdete ab 65. Lebensjahr (2021)

Ungleichheit im Alter 

Das Einkommen der Menschen über 65 Jahre ist extrem ungleich verteilt. In der Mitte Europas lag das Einkommen im Jahr bei 27 347 Euro, in Osteuropa bei 6 611, d. h. RentnerInnen in der Mitte bekamen über 20.000,- mehr im Jahr. Zwischen den Einkommen der Frauen und der Männer über 65 Jahre gab es 2015 für die Niederlande und Deutschland eine Differenz von über 40 %, in Dänemark lag die Rente der Frauen weniger als 10 % unter der der Männer.

Diese Unterschiede ergeben sich u. a. dadurch, dass die Höhe der Renten anders berechnet wird. In einigen Ländern kommt dem verdienten Einkommen vor Renteneintritt keine so große Rolle zu. Dagegen hat lange genug gearbeitet zu haben eine größere Bedeutung. Zum Beispiel beträgt der Unterschied in der Rentenhöhe zwischen Niedrigverdienern und Gutverdienern in Schweden, Finnland, Polen und Portugal unter 10 %. In Tschechien, Dänemark und Belgien bekommen RentnerInnen, die gut verdient haben, mehr als das Doppelte von dem, was RentnerInnen bekommen, die schlecht verdient haben. In diesen Ländern spielt die Dauer der Zeit, die man im Leben gearbeitet hat, eine geringere Rolle, es zählt der Verdienst. Selbst bei gleicher Arbeitszeit und Qualifikation können Rentenhöhen deutlich unterschiedlich sein, wie z. B. in Deutschland bei RentnerInnen und PensionärInnen. Ist das gerecht?

Fürsorge für das Alter und im Alter: gesunde Lebensjahre 

Unser Leben als RentnerIn hängt auch maßgeblich davon ab, wie lange wir gesund und munter sind. Und das variiert ganz deutlich in Europa, was wiederum mit dem Einkommen und den Lebensverhältnissen zusammenhängt. Im Osten Europas lässt sich eine Spanne von ca. 7 Jahren erwarten, die man nach Arbeitsende gesund und munter weiterlebt, also bis zu einem Alter von ungefähr 72 Jahren (Abbildung 2). In der Mitte Europas liegt dieser Zeitraum bei 10,5 Jahren, d. h. bis zum 75,5. Lebensjahr. Und dieser Unterschied wurde über die vergangenen Jahre nicht kleiner, im Gegenteil, er steigt für Menschen aus der Mitte Europas nicht nur gegenüber denen aus dem Osten, sondern auch gegenüber denen aus dem Süden. Nennt man das europäische Integration?

Fehlende Kooperation bzw. soziale Isolation

Gutes Leben heißt auch gute soziale Beziehungen und freie Kooperation. Und beide lassen nach – in den letzten Jahrzehnten allgemein gesellschaftlich, aber insbesondere für Menschen im höheren Lebensalter. Bei den unter 26-Jährigen leiden mit deutlich unter 10 % relativ wenige an sozialer Isolation, bei 26-45-Jährigen sind es ungefähr 17 %, bei über 65-Jährigen schon klar über 20 %. Und wenig erstaunlich: Gute ökonomische Verhältnisse, d. h. ordentliches Geld als Einkommen, schützt vor sozialer Isolation. Dagegen führt ein schlechter Gesundheitszustand diese herbei. Der Hauptfaktor, der das Leiden an sozialer Isolation zu 50 % erklärt, wird durch den Wohnort bestimmt. In Nord-, Süd- und West-Europa liegt die Zahl der Menschen, die sich weniger als einmal im Monat mit anderen treffen, deutlich unter 20 %, in Osteuropa liegt dieser Prozentsatz klar über 30 %. Was zu erwarten war, bei den niedrigen Renten im Osten Europas und den wenigen gesunden Lebensjahren, die ab 65 Jahren bleiben. Und soziale Isolation macht einsam, wenn sie auch nicht immer so empfunden wird.

 Material: https://docs.iza.org/dp14245.pdf 

Was wäre eine linke Antwort auf diese Probleme?

Kurzfristig ist eine Anhebung der Mindestrenten auf ein Niveau deutlich oberhalb des Armutsniveaus unumgänglich.

Mittelfristig ist eine Umgestaltung der gesetzlichen Renten in Richtung einer gleicheren Einheitsrente notwendig. RentnerInnen unterscheiden sich nicht darin, was sie tun: Warum sollen sie dann ein deutlich unterschiedliches Einkommen haben? Diejenigen, die - warum auch immer - während ihres Berufslebens mehr verdient haben, konnten in dieser Zeit entsprechend sparen. Gleiche Rentenhöhe für gleiche Lebensarbeitszeit!

Mittelfristig müssten die Gesundheitsversorgung für ältere Menschen und die Prävention von chronischen Krankheiten europaweit auf ein gleiches Niveau gebracht werden: Der Wohnort darf nicht entscheidend dafür sein, wie viele Jahre man nach Renteneintritt noch behinderungsfrei lebt.

Und mittel- bis langfristig brauchen wir ein neues Modell von Gesellschaft, das soziale Isolation gar nicht erst entstehen lässt und gleichzeitig Generationengemeinschaft pflegt. Das Ende der Lohnarbeit heißt nicht das Ende der Kooperationsfähigkeit. Das bedeutet es nur in einer Wirtschaft, für die im Wesentlichen die Leistung bei der Arbeit zählt, weil diese die Profitabilität der Unternehmen mit bestimmt. Eine richtige Form der Gesellschaftlichkeit würde selbstbestimmte Tätigkeit für gesamtgesellschaftliche Gemeingüter ermöglichen und dies insbesondere auch für die Lebenszeit älterer Menschen!

Und was fordern die Alternativversager für Deutschland und anderswo für Europa?

Wie entlarvend: Eigentlich überhaupt nichts (Konkretes). RentnerInnen interessieren sie nicht, das wurde schon während der Coronapandemie deutlich.

Die AfD – eben nur eine Partei der Gutsituierten und gesellschaftlich Etablierten.