Die alljährliche Sitzung mit Spekulatius Keksen, diesmal leider online
Helmuth
19.12.21, 11.00 Uhr, online-Treffen
Den Text zu dem Lied Chimes of Freedom schrieb Bob Dylan 1964, angeblich auf dem Rückweg von einem Gespräch mit VertreterInnen der Bürgerrechtsbewegung der Südstaaten der USA. Für die Biographen von Bob Dylan markiert das Lied einen Umschlagspunkt – weg von den eher traditionalistisch links orientierten Künstlern der Bürgerrechts- und Friedensbewegung und hin zu eher individualistischen Liedertexten, gespielt mit elektronischer Gitarre. In der Veranstaltung soll die These vertreten werden, dass genau diese Wende nach „innen“ es Bob Dylan gelingt, einen Liedtext zu schreiben, der die Gedanken und Gefühle der Neuen Linken und die aufkommende Hippie-Bewegung zum Ausdruck bringt, indem er die Thematik von einer unilateralen Oppression der Gesellschaft durch eine Klasse („Master of War“) zu einer viele Aspekte umfassenden Sicht wendet, in der unterschiedlichste existenzielle menschliche Unfreiheitssituation sich verbinden (was dann viel später als Erfahrung der „Multitude“ versus der der „Klasse“ bezeichnet wurde).
Der Vortrag, der Text und die Übersetzung von Chimes of Freedom kann hier als pdf-Datei heruntergeladen werden. Besprochene Version des Stücks unter Weiterlesen.
In Bruce Springsteens Version von 1988 (gespielt in Ost-Berlin) wird das Lied dann ästhetischer Ausdruck einer westlichen Reduktion von Freiheit auf formale demokratische Rechte, dem das ostdeutsche Regime tragischerweise nichts entgegenzusetzen hat, als genau dieser Kritik praktisch Recht zu geben. 1995 singt der Senegalese Youssou N'Dour das Lied, diesmal vor dem Hintergrund seines Engagements gegen das Apartheid-Regime in Südafrika, welches im Jahr zuvor gefallen war, und für einen umfassenden gesellschaftlichen Fortschritt des Südens. Ihm als Afrikaner gelingt eine musikalische Interpretation, die dem Liedtext vermutlich am nächsten kommt.
Als Hintergrundinformation dienen folgende Tracks des Lieds auf Youtube, von denen die ersten drei auch Teil des Treffens sein sollen:
- Die Fassung von den Byrds auf dem Monterey Pop Festival 1967
- Bruce Springsteens Fassung in Ost-Berlin 1988
- Youssou N'Dour Fassung von 1995
- Die Ursprungsfassung (1925, Chimes of Trinity), auf die Bob Dylan zurückgreift
- Die erste Fassung von Bob Dylan (1964)
- Kae Tempest "Europe is lost"
Die besprochenen Stücke können im nebenstehenden Player als Playlist angehört werden.