Apl. Prof. Dr. Niko Paech (Universität Siegen) referiert zu "Wirtschaftswachstum, Konsumkapitalismus und Postwachstumsökonomie"
am 12.05.2024, 11.00 Uhr, Donnerschweer Str. 55
Alle Versuche, das auf Wirtschaftswachstum basierende Wohlstandsmodell technologisch von ökologischen Schäden zu entkoppeln, waren und sind zum Scheitern verurteilt. Allein dieser Befund impliziert mannigfaltige Konsequenzen:
- Erstens wirken sich Verteilungspolitiken, die von der individuellen Inanspruchnahme knapper Umweltressourcen abstrahieren, krisenverschärfend aus.
- Zweitens verbleibt als Ausweg nur eine Postwachstumsökonomie, also ein prägnanter Rückbau industrieller Versorgungs- und Verkehrssysteme, eine Kultur der Suffizienz, moderne Selbstversorgung und insgesamt kürzere Versorgungsketten.
- Drittens sind politische Instanzen in Bezug auf das dringend gebotene Überlebensprogramm nicht mehr handlungsfähig, zumal letzteres auf Reduktionsleistungen beruhen müsste, für die keine demokratischen Mehrheiten existieren. Folglich lassen sich Transformationsschritte nur ausgehend von zivilgesellschaftlichen Minderheiten und funktionalen Eliten entwickeln.
- Viertens laufen institutionelle Reformbemühungen, wie etwa die Vergesellschaftung oder Demokratisierung derzeit kapitalistisch organisierter Produktionsstrukturen, ins Leere, wenn sie nicht auf prägnant veränderte Lebensführungen und Versorgungssysteme zielen.
- Fünftens zerschellt das Narrativ einer aufgeklärten Gesellschaft, die sich durch Modernisierungsprozesse und technologischen Fortschritt von vormaliger Schicksalsabhängigkeit befreien konnte, an einer unerbittlichen physischen Realität. Absehbare Entwicklungsschritte werden zunehmend darin bestehen, auf Krisen zu reagieren, statt proaktiv aus (kollektiv geteilter) Einsicht in die Notwendigkeit zu agieren.
Buchvorstellung von Andreas Hollweg
am 28.04.24, 11.00 Uhr, Donnerschweer Str. 55
Eine neue Ideologie breitet sich in westlichen Gesellschaften aus, erst leise, dafür beharrlich, jetzt mit zunehmender Lautstärke. Ihre Inhalte und Konsequenzen dringen mittlerweile auch in den Fokus medialer Berichterstattung. Sie spaltet jene, die sie erkannt haben, in ihre Verfechter und Gegner. Der Anspruch der Bewegung, Diskriminierung von bestimmten Gruppen abbauen zu wollen, macht Wokness auf den ersten Blick unangreifbar und attraktiv. Das macht ihr destruktives Potential viel schwieriger zu erkennen als das anderer radikalisierter Orientierungen. Ursprünglich als progressive Identitätspolitik an Universitäten entstanden, hat Wokeness sich als Bewegung in staatlichen Institutionen und in Denkmustern von Menschen ausgebreitet. Die Psychologin und Rechtspsychologin Ester Bockwyt deutet Wokeness in ihrem Spiegelbestseller kritisch, aber fernab von schrillen Tönen, als den exzessiven wie vergeblichen Versuch, Menschen vor der Übernahme von reifer Verantwortung und unerwünschten Empfindungen zu schützen.
von Dr. Ulrich Schachtschneider
am 07.04.24, 11.00 Uhr, Donnerschweer Str. 55
Vortragsfolien siehe hier
Klima- und Ressourcenschutz zwingt zu weitreichenden Änderungen der Wirtschafts- und Lebensweise in den nordwestlichen Industrieländern. Damit sind tiefgreifende gesellschaftliche Konflikte verbunden:
Auf der einen Seite versteht ein relevanter Teil der Gesellschaft die sozial-ökologische Transformation als massive Bedrohung seiner sozialen und/oder wirtschaftlichen Stellung und lehnt politische Maßnahmen und Konzepte für mehr Klimaschutz ab.
Auf der anderen Seite fordern Menschen weitreichendere Transformationsschritte ein als derzeit politisch umgesetzt werden und stellen in diesem Zusammenhang die eigene Lebensweise und das kapitalistische Wirtschaftssystem in Frage.
Es scheint eine Polarisierung zweier Lager zu geben, die als „We First“ versus „We Care“ charakterisiert werden können und die sich in relativ ähnlicher Stärke gegenseitig blockieren. Eine Befreiungsperspektive erscheint notwendig, um aus diesem Patt herauszukommen.
von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe. Vorgetragen durch Michael Golba & Ulrich Schachtschneider
am 03.3.24, 11.00 Uhr, Donnerschweer Str. 55
Dieses bekannteste Werk des Autorenpaars erschien bereits 1985 auf Englisch und wurde seitdem zu einem der maßgeblichsten Beiträge zur kritischen Sozial- und Demokratietheorie. Das Buch ist ein Vorschlag, die strategische Krise der Linken zu überwinden, der sie sich spätestens mit der Entstehung der Neuen Sozialen Bewegungen gegenübersah.
Weiterlesen: Buchvorstellung „Hegemonie und radikale Demokratie. Zur...
referiert durch Prof. Helge Peters
am 26.11.23, 11.00 Uhr, Donnerschweer Straße 55
Thomas Piketty will die Verbreitung der „nativistischen“ Rechten in der westlichen Welt erklären. Unter „nativistisch“ versteht er eine politische Orientierung, die auf die Abgrenzung der als homogenes Volk verstandenen eigenen Gesellschaft von Fremden abzielt. Nach Piketty lassen sich die gegenwärtig in der westlichen Welt verbreiteten politischen Gruppierungen entlang zweier Dimensionen beschreiben: 1. Egalitär vs. inegalitär und 2. Internationalistisch vs. nativistisch. Mit Hilfe dieser Dimensionen lässt sich ein Vier-Felder-Schema konstruieren, dem sich die in der westlichen Welt verbreiteten politischen Gruppierungen zuordnen lassen:
1. Internationalistisch, egalitär: Linke, 2. Internationalistisch, inegalitär: Liberale, 3. nativistisch, egalitär: Extreme Rechte, 4. nativistisch, inegalitär: Konservative.
Die Verbreitung der politischen Orientierungen der an dritter Stelle genannten Gruppierungen erklärt Piketty mit Hinweisen auf die in den vergangenen Jahrzehnten gestiegenen sozial-ökonomischen Ungleichheit. Dem habe die Linke – Piketty meint hier vor allem die Sozialdemokratie – nicht hinreichend entgegengewirkt. Ihre klassische Wählerschaft habe sich deswegen von ihr abgewandt. Es habe sich in ihr eine politische Hoffnungslosigkeit verbreitet. Sie sei empfänglich für immigrationsfeindliche Diskurse und nativistische Ideologien.
Als Mittel, das gegen die skizzierte Entwicklung eingesetzt werden sollte, empfiehlt Piketty eine europaweite Politik der Steuerprogression. Die auf diese Weise generierten staatlichen Ressourcen sollten vor allem bildungspolitisch genutzt werden. Piketty hat allerdings wenig Hoffnung, dass „Europa“ dieser Empfehlung folgt. Nationale Egoismen verhinderten dies.
In der zweiten Hälfte der Veranstaltung soll über praktisch-politische Fragen zur AfD gesprochen werden.
Hier kann der Vortragstext aufgerufen werden